Das Thema Nachhaltigkeit ist in aller Munde – in kaum einem Wirtschaftsbereich kommt man an ihm vorbei. Doch Nachhaltigkeit ist ein sehr breiter Begriff und umfasst weit mehr als die optimale Abfalltrennung und eine möglichst geringe Anzahl an Flugstunden im Jahr. Gerade um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen, bedarf es klarer und strukturierter Massnahmen in allen Wirtschaftsbereichen.
Doch wie bringt man Nachhaltigkeit und die Immobilienbranche auf einen Nenner? Kann Nachhaltigkeit auch ökonomisch gesehen interessant sein? Das hat sich Simone aus BETTERHOMES Town gefragt und ist bei ihrer Recherche auf spannende Fakten gestossen.
Die Plattform Swiss Sustainable Finance schätzt das Volumen nachhaltiger Anlagen in der Schweiz für 2017 auf rund CHF 390 Mrd., was einem beeindruckenden Zuwachs von 82% gegenüber dem Vorjahr entspricht. Der Löwenanteil der nachhaltigen Anlagen (86%) ist dabei im Besitz von Versicherungen und Pensionskassen, während die restlichen 14% privaten Investorinnen und Investoren gehören. Dass das Interesse an nachhaltigen Immobilien so rasant gewachsen ist, liegt sowohl an Nutzerinnen und Nutzern als auch an Investor/innen. Dennoch stellt sich die Frage: Warum soll man in nachhaltige Immobilien investieren, welchen Wert bieten sie?

Nicht nur die finanziellen Vorteile und Anreize treiben die Nachfrage an: Auch die zunehmenden regulatorischen Anforderungen sind dafür verantwortlich. Die «Sustainable Development Goals» der Vereinten Nationen beeinflussen die Immobilienbranche stark. So müssen die Nachhaltigkeitsziele im Hinblick auf den Klimawandel verfolgt werden, was zum Beispiel eine verbesserte Energie- und Ressourceneffizienz umfasst. Dies impliziert auf Länderebene eine vermehrte Offenlegungs- und Reporting-Pflicht. Ein Beispiel dafür ist die Energieausweispflicht in Österreich, die obligatorisch ist, damit eine Immobilientransaktion stattfinden kann. Generell werden die Bauvorschriften und Energiegesetze laufend verschärft, damit die Klimaziele erreicht werden können. Oder anders formuliert: Um Nachhaltigkeit in der Immobilienbranche kommt man schwerlich herum.
Wie alles seinen Anfang nahm
Vor rund 30 Jahren wurden ökologische Immobilienlabels zum ersten Mal eingeführt. Ziel war es, die Umweltauswirkungen im Immobiliensektor zu reduzieren. Verschiedenste Labels wie «Leadership in Energy and Environmental Design» (LEED, USA) oder «Building Research Establishment» (BREEAM, Grossbritannien) wurden als frühe Beispiele für Zertifizierungssysteme ins Leben gerufen. Viele lokale Labels zogen nach, zeitgleich zu diesen ökologischen Labels entstanden auch Energielabels, z.B. Minergie in der Schweiz.
Der Wandel
In den letzten Jahren fand ein Wandel zur Nachhaltigkeit und zum nachhaltigen Bauen statt, was natürlich auch die Gründung neuer Labels nach sich zog: in der Schweiz zum Beispiel den «Standard für Nachhaltiges Bauen Schweiz» (SNBS). Der Unterschied zwischen den verschiedenen Labels (Energielabels, ökologische Labels und Nachhaltigkeitslabels) ist folgender:
- Energielabels wollen die ökologischen Auswirkungen durch die Reduktion des Energieverbrauchs und die Steigerung der Energieeffizienz minimieren,
- während ökologische Labels soziale Aspekte mit Kriterien für Betriebsenergie und thermischen Komfort umfassen.
- Nachhaltigkeitslabels hingegen verfolgen drei Nachhaltigkeitsdimensionen: Gesellschaft, Umwelt und Wirtschaft. Sie umfassen also auch Themen wie Gesundheit, Infrastruktur, Lebenszyklusphasen, Mobilität und räumliche Flexibilität.
Auch die Immobilienwelt ist mit erhöhten Umwelt- und Energieanforderungen konfrontiert, was die Weiterentwicklung diverser Labels bedingt. Ökologische Labels hatten sich in der Vergangenheit darauf konzentriert, negative Auswirkungen zu reduzieren, während Nachhaltigkeitslabels diese ganz vermieden. Viele Labels haben nun «Massnahmen» eingeführt, um proaktiv positive Auswirkungen zu erzielen: So zum Beispiel die Bereitstellung von Fahrradabstellplätzen, die eine kohlenstoffarme Mobilität ermöglichen; oder die Verwendung von biobasierten Baumaterialien, die dazu beiträgt, Kohlenstoff während der gesamten Lebensdauer des Gebäudes zu speichern.
Massnahmen im Immobiliensektor
Die Pariser Klimaziele (Begrenzung der Erwärmung auf maximal 2 Grad Celsius über dem vorindustriellen Niveau, angestrebt wird ein maximaler Temperaturanstieg von 1.5 Grad Celsius) bedingen, dass der Immobiliensektor strengere Labels einführt, bessere Praktiken anwendet und auf positive Auswirkungen hinarbeitet. In vielen Bereichen gibt es enormes Potenzial zur Reduktion von Emissionen. Die zwei grössten Reduktionspotenziale liegen mit 68% (Stand Juli 2016) in den Wirtschaftsbereichen «Gebäude» und «Verkehr».

Folgende Massnahmen könnten getroffen werden, um die Emissionen in der Rubrik «Gebäude» zu reduzieren:

Wie kann man Nachhaltigkeit messen?
Das Thema Nachhaltigkeit hat längst die verschiedenen Wirtschaftsbereiche erreicht, die Unternehmenspolitik vieler grosser und internationaler Unternehmen ist auf Nachhaltigkeit ausgerichtet. Sie orientieren sich dabei an ESG-Kriterien, die Umwelt- (Environmental) und Sozialstandards (Social) sowie Aspekte der Unternehmensführung (Governance) berücksichtigen. Viele Labels sind aus einem nationalen Kontext heraus entstanden, stützen sich auf länderspezifische Eigenheiten und setzen unterschiedliche Schwerpunkte. Auch wenn sie immer mehr Verbreitung finden, ist eine ganzheitliche und internationale Nachhaltigkeitsbewertung im Sinne der ESG-Kriterien daher meist nicht gegeben. Nichtsdestotrotz müssen professionelle Manager von Immobilieninvestments ihr Immobilienportfolio nach geeigneten Nachhaltigkeitskriterien bewerten, die natürlich mit den ESG-Kriterien kompatibel sind. Das Problem liegt auf der Hand: Wenn Immobilienportfolios Liegenschaften in verschiedenen Ländern haben, die unterschiedlichen Standards unterliegen, ist dies natürlich besonders schwierig.
Global Real Estate Sustainability Benchmark (GRESB)
Um diesem Problem Abhilfe zu schaffen, wurde der Global Real Estate Sustainability Benchmark (GRESB) ins Leben gerufen, der die Nachhaltigkeitsperformance von Immobilien und Immobilienportfolios weltweit nach einheitlichen ESG-Kriterien ermittelt. Im Jahr 2018 wurden so bereits mehr als 900 der führenden Immobilienunternehmen und -fonds in 64 Ländern systematisch auf ihre ESG- bzw. Nachhaltigkeitsperformance untersucht. Je nach Grösse des Portfolios, der Nutzungsart und der Länderallokation werden die Vergleichsgruppen evaluiert und dann miteinander verglichen. So wird die objektive Vergleichbarkeit der Portfolios sichergestellt.
Nachhaltigkeit für alle
Dass Nachhaltigkeit ökonomisch gesehen sehr interessant ist und nicht als Synonym für profitlose Investitionen fungiert, kam bei Simones Recherche ganz klar zum Ausdruck. Nachhaltigkeit ist längst nicht mehr nur eine Einstellung, sondern sowohl in der Politik als auch in der Wirtschaft Realität. Dieses wichtige Thema betrifft jedoch nicht nur höhere Instanzen, sondern neben Unternehmen auch Privatpersonen. Wir alle können und müssen unseren Teil dazu beitragen. Und um dabei gleich im Bereich der Immobilien zu bleiben: Es reicht nicht, wenn Immobilien zwar nachhaltig gebaut werden, die Bewohner/innen jedoch nicht bewusst leben; denn: Nachhaltigkeit steckt nicht nur im Bauen, sondern auch im Wohnen.